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Tempo 140: Pilotversuch auf der Westautobahn
Auch wenn sich viele darüber freuen, sind doch manche noch skeptisch.
Symbolfoto zu Tempo 140: Pilotversuch auf der Westautobahn Tempo 140: Pilotversuch auf der Westautobahn
Symbolfoto zu Tempo 140: Pilotversuch auf der Westautobahn Auch wenn sich viele darüber freuen, sind doch manche noch skeptisch.

Tempo 140: Ein Pilotversuch auf der Westautobahn

Coverstory 2 | 2018

Auf Teilen der Westautobahn kann seit 1. August 140 km/h gefahren werden. 32 Kilometer zwischen Haid und Sattledt und 88 Kilometer zwischen Melk und Oed sind für das Pilotprojekt ausgewählt worden. Überzeugt sind trotzdem noch nicht alle: Auch wenn sich viele darüber freuen, dieselben Strecken schneller überwinden zu können, sind doch manche skeptisch.

Umwelt gefährdet und erhöhtes Unfallrisiko
Greenpeace in etwa befürchtet eine erhebliche Steigerung der Unfallgefahr und kritisiert weiters die Erhöhung der gesundheitsgefährdenden Luftschadstoffe wie Stickstoffdioxide sowie Treibhausgase. Greenpeace fordert daher von Verkehrsminister Norbert Hofer, das fragwürdige Experiment sofort zu stoppen, um Mensch und Natur keinem weiteren Risiko auszusetzen. Stattdessen soll die Regierung in den Ausbau öffentlicher Verkehrsmittel investieren.
„Mit der Tempo-140-Strecke begibt sich Verkehrsminister Norbert Hofer auf eine umweltpolitische Geisterfahrt: Anstatt unsere Umwelt zu schützen, verpestet das die Luft und erhöht das Unfallrisiko“, sagt Adam Pawloff, Klima-Sprecher bei Greenpeace in Österreich. „Mit Tempo 140 schadet Minister Hofer unserer Natur und gefährdet die Sicherheit und die Gesundheit der Bevölkerung. Statt solch fragwürdige Experimente zu starten, muss Hofer endlich wirkungsvolle Schritte setzen, um Umwelt und Klima zu schützen: Dazu gehört etwa die Bahn auszubauen und mehr Züge auf die Schiene zu bringen.“

ÖAMTC für elektronisch angezeigte Flexibilisierung von Geschwindigkeitsbeschränkungen
Prinzipiell kann sich der ÖAMTC eine Anhebung des Tempolimits vorstellen, hätte das aber lieber mit einer elektronisch angezeigten Flexibilisierung von Geschwindigkeitsbeschränkungen. Der Vorteil einer flexiblen Temporegelung liegt für den ÖAMTC darin, dass bei ungünstigen Verkehrs- oder Witterungsverhältnissen die Tempolimits auch gesenkt werden können. Hinzu kommt, dass elektronisch angezeigte Tempolimits auf mehr Akzeptanz bei den FahrzeuglenkerInnen stoßen, da sie nachvollziehbar sind. Bei dem jetzt beginnenden Test wird das Limit mit Blechschildern kundgemacht. „In diesem Fall gilt besonders, dass angepasste Geschwindigkeit das A und O für die Verkehrssicherheit ist“, erklärt ÖAMTC-Jurist Martin Hoffer abschließend. „Der seinerzeitige 160-km/h-Versuch hat gezeigt, dass die Rechtsfahrordnung besser eingehalten wird und die Unfallzahlen sogar etwas zurückgegangen sind“, erinnert Hoffer. „Das deutet mitunter auf ein höheres Gefahrenbewusstsein hin.“

VCÖ: Unerheblicher Zeitgewinn
Der VCÖ warnt vor den negativen Folgen einer Erhöhung des Tempolimits. Ein höheres Tempo bedeutet auch einen längeren Anhalteweg. Mit dem Tempo nehmen Unfallrisiko und Unfallschwere zu. „Einem minimalen theoretisch möglichen Zeitgewinn stehen ein real erhöhtes Unfallrisiko, mehr Spritverbrauch, mehr CO2-Emissionen und ein erhöhter Schadstoffausstoß gegenüber. Der VCÖ lehnt Tempo 140 ab“, stellt der VCÖ-Experte Markus Gansterer fest. Auf der Teststrecke zwischen Haid und Sattledt beträgt der theoretische Zeitgewinn rund eine Minute, auf dem Abschnitt Melk–Oed nicht einmal vier Minuten.
Beide Versuchsstrecken sind auf der A1 (Melk–Öd und Haid–Sattledt). Die A1 bei Haid ist jener Autobahnabschnitt, wo die meisten Lkw unterwegs sind. Allein im Vorjahr fuhren hier rund fünf Millionen Lastwagen, mehr als doppelt so viele wie über den Brenner, macht der VCÖ aufmerksam. Auch in Zukunft werden langsamere Pkw die Lkw überholen. Eine Zunahme von Drängeln ist zu befürchten.
Mit Tempo 140 nehmen die Geschwindigkeitsunterschiede zu, umso mehr, als die Toleranzgrenze in Österreich – im Unterschied zur Schweiz – sehr hoch ist. Tempolimit 140 wird in der Realität bei vielen 150 km/h oder mehr bedeuten.
„Um zu verhindern, dass Tempo 140 in der Realität 150 km/h oder mehr bedeutet, ist die Toleranzgrenze nach Schweizer Vorbild zu senken. Das Motto ‚Darf’s a bisserl mehr sein?‘ kann beim Tempo fatal enden“, stellt VCÖ-Experte Markus Gansterer fest. Der Verkehrsfluss ist bei großen Tempounterschieden schlechter, was die Stauanfälligkeit erhöhen kann.
Die Einführung von Tempo 140 steht auch im Widerspruch zum Ziel der Bundesregierung, die CO2-Emissionen des Verkehrs um ein Drittel zu reduzieren, betont der VCÖ. Mit dem Tempo nehmen der Spritverbrauch und damit auch der CO2-Ausstoß zu. Laut Studie der TU Graz erhöht sich der CO2-Ausstoß durch Tempo 140 statt 130 um zwölf Prozent. Auch die gesundheitsschädlichen Stickoxid- und Feinstaub-Emissionen nehmen zu.

In kaum einem anderen Land
Tempo 140 auf der Autobahn ist nur in wenigen Ländern Europas erlaubt, so etwa in Polen und Bulgarien. In Deutschland gibt es auf den Autobahnen kein Limit, aber eine Richtgeschwindigkeit von 130 km/h. 130 km/h ist das häufigste Tempolimit in Europa, es gilt in 18 Ländern.
„Autobahnen sind dazu da, sicher, aber auch zügig voranzukommen. Wir glauben, dass unsere bestens ausgebauten, dreispurigen Abschnitte auch auf Tempo 140 ausgelegt sind – sofern man so schnell fahren will und es die äußeren Rahmenbedingungen erlauben. Mit 2019 werden erste Testergebnisse zu den tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeiten vorliegen“, erklärt Josef Fiala, Geschäftsführer der ASFINAG Service GmbH.