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Verkehr fair?

ÖGB

60-Stunden-Wochen, unbezahlte Überstunden, wochenlanges Leben im Lkw: Das ist der Alltag der Beschäftigten im Transportwesen. Der stellvertretende vida-Vorsitzende Roman Hebenstreit sprach bei der Veranstaltung „Verkehr Fair“, zu der die AK und die Gewerkschaften vida und younion eingeladen hatten, von einem „modernen Sklaventum“ und „Lohndrückerei“.

In Bulgarien liegt der Stundenlohn bei mageren 2,20 Euro, in Österreich werden pro Stunde 8,80 Euro bezahlt. Zudem wird das unternehmerische Risiko immer stärker auf die Beschäftigten abgewälzt. „Die Beschäftigten sind die Leidtragenden des immer billigeren Verkehrs“, sagte AK-Präsident Rudi Kaske. Daran, dass es Sozialdumping nicht nur in Osteuropa gibt, erinnerte der Generalsekretär der europäischen Transportarbeitervereinigung, Eduardo Chagas. Osteuropäische Fahrer von österreichischen Frächtern berichteten, dass sie oft mehrere Wochen im Lkw leben und nur ein- bis zweimal in der Woche warmes Essen haben.

Gesamte Branche betroffen 
Nicht nur die Arbeitssituation der Lkw-FahrerInnen ist prekär. Der hohe Preisdruck vernichtet unzählige fair bezahlte Jobs im öffentlichen Nahverkehr. Auch Steward bzw. Stewardess ist längst kein Traumberuf mehr. Die Bruttolöhne von FlugbegleiterInnen schwanken zwischen 1.200 und 1.500 Euro. Auch bei der Bahn sind die Umstände durch den Wettbewerbsdruck immer schwieriger. Die Arbeitsverdichtung sorgt für immer größer werdende Sicherheitsdefizite. So gibt es für LokführerInnen im grenzüberschreitenden Verkehr keine Kontrolle der Ruhezeiten. Im Catering-Bereich arbeiten hauptsächlich Personen aus Ungarn zu ungarischen Bedingungen. Insgesamt sind im europäischen Verkehrsmarkt rund elf Millionen Menschen beschäftigt.

Zu wenig Kontrollen
Das europaweite Lohn- und Sozialdumping wird durch Gesetzeslücken möglich gemacht. Es ist eine „Perversion“, dass die Frächter ihre FahrerInnen mittels GPS kontrollieren, der Staat aber nicht die Lenk- und Ruhezeiten überprüfen kann, so Hebenstreit. In Österreich gibt es das generelle Problem von zu wenig Kontrollen, nicht zuletzt, weil die Finanzbehörden deutlich unterbesetzt sind. Hinzu kommt, dass die Frächter die Stehzeiten nicht mehr entlohnen wollen. Dieser Vorschlag legte monatelang die Kollektivvertragsverhandlungen für das Güterbeförderungsgewerbe auf Eis. Die Leidtragenden sind die Angestellten.

Entsenderichtlinie korrigieren
Im Verkehr werden die Folgen von grenzenloser Liberalisierung in Europa auf dem Rücken der Beschäftigten besonders deutlich. Eine aktuelle Studie des Instituts FORBA zeigt, dass das geltende EU-Recht Lücken aufweist. Die Entsenderichtlinie etwa berücksichtigt kaum die hohe Mobilität der Beschäftigten im Verkehrsbereich. Obwohl die FahrerInnen einen Teil ihres Jobs in Österreich erledigen, müssen sie nicht nach den hiesigen Standards bezahlt werden. Mittlerweile ist bereits jeder zweite schwere Lastwagen im Ausland angemeldet. Laut einer Studie der TU Wien soll es heuer erstmals mehr Transit-Lkw von österreichischen Betreibern mit ausländischer als mit inländischer Zulassung geben. Verkehrsminister Jörg Leichtfried fordert daher einheitliche Regelungen in ganz Europa sowie Standards in der Verkehrs- und Transportbranche.