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WIR RÄUMEN !

Coverstory

Ein Blick hinter die Kulissen des Winterdienstes von ASFINAG und MA 48 in Wien

„Beim Winterdienst ist es wie beim Fußball. Alle machen es besser“, lacht Karl Haas, der Chef der Autobahnmeisterei Inzersdorf, und zeigt auf die Bildschirme und Straßenkarten in seinem Büro am Stadtrand von Wien.

Hier befindet sich sozusagen das Hirn des Winterdienstes. Nur wenige Meter entfernt ist die zentrale Verkehrssteuerung der ASFINAG. Dort überwacht der Operator Christian ­Piribauer mit seinem Team das 2.178 Kilometer lange Autobahn- und Schnellstraßennetz in ganz Österreich. Insgesamt hat die ­ASFINAG 43 Autobahnmeistereien und 1.400 MitarbeiterInnen.

Der Winterdienst ist die Champions League für die ASFINAG-MitarbeiterInnen. Und diese haben den Ehrgeiz jedes Jahr perfekte Arbeit zu leisten. „Planung ist dabei alles“, stellt Haas fest und fügt hinzu: „Und trotzdem kann dann den langen Winter über viel passieren.“ Damit das „viel passieren“ möglichst gering ausfällt und den AutofahrerInnen wenig Anlass zum Ärgern gibt, beginnt der Winterdienst bereits direkt nachdem der letzte Schnee einer Saison geschmolzen ist. So wie in Inzersdorf werden überall die Fahrzeuge gewartet, die Arbeit des vergangenen Winters wird analysiert, der nächste geplant. Den Sommer über werden auch die Salzlager aufgefüllt. Diese haben eine Gesamtkapazität von 92.000 Tonnen. Der Sommer dient auch zur Schulung und Weiterbildung des Personals. Haas ist seit 1977 bei der ASFINAG in Inzersdorf und inzwischen hat sich vor allem im technischen Bereich vieles geändert.

Entscheidend dafür, ob sich die ganzen Vorbereitungen gelohnt haben und das neue Wissen umgesetzt werden kann, sind die Wettervorinformationen. Großwetterlage, regionales Wetter oder kurzfristige ­Wetterumschwünge, manchmal auch nur ein bestimmter Punkt – im Großraum Wien beispielsweise der Laaerberg – werden auf einer Reihe von Bildschirmen dargestellt, beobachtet und ausgewertet. In vielen Fällen kann dadurch die Stunde Null bereits eineinhalb Tage vorausgesagt werden. Haas: „Und trotzdem kann es dann vom Verlauf einer Wolke abhängen, ob wir eine Punktlandung hinbringen.“ Bei aller Technik ist aber auch die Erfahrung der MitarbeiterInnen gefragt. Und der Mond! Erfahrungsgemäß, so der Auto­bahnmeister, bringt der Vollmond immer einen Wetterumschwung. Erfreulich, wenn der Mond besseres Wetter bringt.
Bevor die Schneepflüge mit einer Räumungsbreite von 6,5 bzw. 5,5 Metern zum Einsatz kommen, kann es sein, dass präventiv Salz gestreut wird. Auf den Quadratmeter Fahrbahn genau fünf Gramm, so viel Salz wie für ein Frühstücksei. Und wenn es dann mit dem Schnee ernst wird, die Schneebeschaffenheit bekannt ist, beginnt die Herausforderung. Haas: „Mensch und Fahrzeug werden extrem belastet. Das ist auch Adrenalin pur.“ Jeder Fahrer kennt seine genaue Route, nach Plan hat er alle 60 Minuten wieder an der gleichen Stelle zu sein. Das Winterdienst-Anforderungsniveau, erstellt im Juli 2002 vom Verkehrsministerium, sieht dagegen eine Umlaufzeit von drei Stunden vor. Dieses Anforderungsniveau be­schreibt punktgenau die Leistungen, die die ASFINAG-MitarbeiterInnen zu erbringen haben. Meistens werden die Vorgaben bei Weitem übererfüllt.

„Schwarzärgern“ gehört aber offensichtlich auch zum Winterdienst. Sowohl bei den AutofahrerInnen als auch bei den „WinterdienstlerInnen“. Haas: „Es kommt immer wieder vor, dass meine Kollegen beschimpft und belächelt werden.“ Kritik kommt meist wegen zu spätem Streuen oder Räumen. Haas: „Manchmal macht es einfach keinen Sinn, zu früh im Einsatz zu sein. Das wäre reine Geldverschwendung. Ich kaufe mir ja auch nicht zwei Kilo Brot, wenn ich genau weiß, dass ich nur ein Kilo essen kann. Letztendlich arbeiten wir mit dem Geld der Autofahrer.“

Zum „schwarzärgern“ ist aber manchmal das Verhalten einzelner AutofahrerInnen. So gibt es immer wieder welche, die ihr Fahrverhalten nicht an das Wetter anpassen wollen. Die Folgen können dann verheerend sein. Und daher sind Unfälle, Staus oder ­generell Verkehrsüberlastung die „Feinde“ des perfekten Winterdienstes. Ein besonderes Problem sind aber je­ne VerkehrsteilnehmerInnen, die schlichtweg unüberlegte, manchmal sogar unverantwortliche Aktionen starten. Haas erzählt von LenkerInnen, die den Schneepflug überholen, oder Lkw, die in miserablem Zustand unterwegs sind, steckenbleiben und dann die Autobahn stundenlang blockieren. Und da ist auch noch der Trick mit der Erfüllung der Kettenpflicht. So kommt es immer wieder vor, dass Lkw einreisen und lediglich Pkw-Ketten mitführen. Haas: „Auch das fällt in die Sparte ‚schwarzärgern‘, ist aber letztendlich zum Ärgern für alle VerkehrsteilnehmerInnen.“

Keinen Ärger, aber viel Unterstützung gibt es von der ASFINAG-Verkehrssteuerung und dem dort befindlichen Studio des Ö3-Verkehrsfunks. Piribauer und sein Team können über rund 3.000 Kameras das Geschehen auf dem Autobahn- und Schnellstraßennetz zu einem Großteil verfolgen. Dort laufen nicht nur im Winter viele wichtige Informationen zusammen und tragen zum Erfolg des Winterdienstes, aber auch generell zu einem besseren Verkehrsablauf bei. Wetterbedingungen wie Nebel, Schnee oder Regen, Temperaturen der Fahrbahn und der Luft sowie Windgeschwindigkeit werden erfasst und daraus entstehen dann die Verkehrshinweise entweder auf den Wechseltextanzeigen über den Autobahnen oder direkt via Ö3-Verkehrsfunk.

Ein System, das inzwischen offensichtlich von Erfolg gekennzeichnet ist. ­Piribauer: „Es werden immer mehr ­VerkehrsteilnehmerInnen, die sich an unsere Hinweise halten. Damit können wir trotz schlechten Wetters immer öfter größere Staus verhindern und den Verkehrsfluss harmonisieren.“

Die Schneemänner der MA 48
Der Winter brach heuer früh über die Bundeshauptstadt Wien herein. Pünktlich zur Umstellung auf Winterzeit von Samstag auf Sonntag, den 28. Oktober, meldete er sich mit erstem Schneeregen. In der Nacht zum Montag gab es dann Schneefall und die „Schneemänner“ der MA 48 waren mit ihren Fahrzeugen zur Stelle.

Ab 22 Uhr waren 46 gro­ße Schneeräumfahrzeuge der MA 48 und 116 Fahrzeuge der privaten Fuhrwerker im Einsatz, ab 1 Uhr nachts wurde die Mannschaft zusätzlich mit 143 Kleinfahrzeugen der Straßenreinigung unterstützt. Alle 261 MitarbeiterInnen der Straßenreinigung traten schon um 3 Uhr in der Früh ihren Dienst an, um den reibungslosen Frühverkehr in Wien zu gewährleisten. Und es gelang!
Für Bernhard Hof, Personalvertreter der MA 48, ist das alles selbstverständlich. Es steckt ein ausgeklügeltes System dahinter, damit die 2.800 Kilometer Straßen mit einer Fahrbahnfläche von rund
23 Millionen Quadratmetern von Schnee und Eis befreit werden können. Da ist zuerst die Funkzentrale gefragt. In Zusammenarbeit mit dem Wetterdienst des Flughafens und der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) kann Schneefall zwei bis drei Tage vorhergesagt werden. Spannend wird es bei der Frage, ob die Prognose sozusagen punktgenau ist. Auch wenn für die Vorhersagen ausgefeilte Technik mit Erfahrungen aus vergangenen Wintern verbunden wird, letztendlich kann im letzten Moment alles anders kommen. Das liegt vor allem daran, dass Wien sich in verschiedene Wetterzonen teilt. Da kann es schon sein, dass es in einem Teil schneit und in einem anderen Teil der Bundeshauptstadt die Sonne scheint.
Hof: „Es ist auch schon vorgekommen, dass sich die Schneewolken über einem Bezirk konzentrierten, plötzlich der Wind drehte und die alarmierten Kollegen wieder nach Hause geschickt werden konnten.“
Entladen sich die Wolken über Wien, wird nach Plan gearbeitet. Die Fahrer haben genau vorgegebene Routen, Prioritäten sind gesetzt. Kaum Probleme gibt es erfahrungsgemäß auf den sogenannten Hauptrouten. Mit den genau 2,72 Meter breiten Schneepflügen geht die Räumung zügig voran. Millimeterarbeit mit Gefühl und Nervenstärke ist in den schmäleren Straßen und Gassen angesagt. Hof: „Nur ein falsch eingeparktes Auto und der beste Zeitplan nützt nichts.“ Und dann kommt noch die extreme Belastung der Räumfahrzeuge, die oft 24 Stunden am Tag bzw. tagelang im Einsatz sind, dazu. „Klarerweise steigt da die Störanfälligkeit. Da sind dann unsere Kollegen aus der Werkstatt gefragt. Und die sind Weltklasse.“
Um AutofahrerInnen die Arbeit des Winterdienstes verständlich zu machen, hat der Personalvertreter eine Vision: FahrschülerInnen sollten zumindest bei einem Räumeinsatz mitfahren. Den Anfang sollten die FahrlehrerInnen machen.